Die Oxford-Wissenschaftler Carl Benedikt Frey und Michael Osborne veröffentlichen bereits vor neun Jahren ihre Studie „The future of employment“, laut der in den Vereinigten Staaten knapp die Hälfte (47 %) der Arbeitsplätze durch die voranschreitende Automatisierung entfallen werden. Zu den gefährdetsten Berufen gehören laut Frey und Osborne Lastwagenfahrer im Langstreckenverkehr. Ein Team der University of Michigan hat nun errechnet, dass in den U.S.A. bis zu 500.000 Lkw-Fahrer ersetzt werden könnten. Betrachtet wurden Langstreckenfahrten ab einer Mindestlänge von 240 Kilometern. 94 Prozent dieser Strecken können laut der Studie prinzipiell automatisiert werden.

„Wie viele Fahrerjobs in einem Land tatsächlich wegfallen, liegt an einer Reihe von Faktoren. Wie komplex ist die abzufahrende Route? In welchem Zustand sind die Straßen? Ist die Kostenstruktur in einem Land so, dass sich das Ganze überhaupt lohnt?“, erklärt Parth Vanishav.

Automatisierte Langstreckenfahrten zwischen Hubs

Das Modell von Vanishav basiert auf der Annahme, dass potenziell alle Langstreckenfahrten automatisiert werden könnten. Die Lkws würden ihre Fracht dabei in Hub anliefern, ab denen menschliche Fahrer dann die komplizierten Kurzstrecken in den Innenstädten übernehmen.

Laut den Studienautoren würde dies Menschen entlasten, weil die langen Strecken für Fahrer oft sehr monoton sind. Zudem würden im Kurzstreckenbereich neue Arbeitsstellen entstehen, etwa für Lagerkräfte und Fahrer in den Hub. Diese wären deutlich abwechslungsreicher und hätten den Vorteil, dass das Personal in der Nähe ihres Wohnsitzes arbeiten könnte.

Level-4-Fahrzeuge noch in dieser Dekade

Auch andere Experten sehen ein großes Potenzial im autonomen Fahren. „Führend im Lkw-Bereich scheinen Firmen aus den USA zu sein, die auch schon erste Testfahrten absolviert haben“, so Maximilian Geißlinger, Leiter einer Forschungsgruppe zu intelligenten Fahrzeugen an der TU München. Auch deutsche Konzerne arbeiten an autonomen Lkws. Daimler Truck ist dazu etwa eine Kooperation mit der Google-Tochterfirma Waymo und dem Start-Up Torc Robotics eingegangen.

Das Ziel dieses Joint Venture ist es, noch in der laufenden Dekade einen marktreifen autonomen Lkw zu entwickeln. Gemeint ist damit ein Level-4-Fahrzeug, das größtenteils vollautomatisiert fährt und bei dem Menschen nur in Ausnahmesituationen eingreifen müssen. Die Entwicklung eines Level-5-Systems, das vollkommen automatisch fährt und generell ohne Fahrer unterwegs ist, wird laut renommierten Wissenschaftlern noch deutlich länger dauern.

Komplett autonome Fahrzeuge in Schweden

In Schweden auf der Autobahn E4 erledigen komplett autonomen Fahrzeuge bereits reale Transportvorgänge. Aktuell ist aber noch ein Mensch an Bord, der das System überwacht. „Es geht langfristig auch um das Ersetzen der Fahrer, aber explizit nur auf einem Teil der unangenehmsten Fahrten, auf denen wir heute bereits den empfindlichsten Fahrermangel erleben. Insbesondere auf der Langstrecke kreuz und quer durch Europa. Signifikantes Wachstum des Marktes erscheint für diesen Anwendungsfall ab etwa 2030 realistisch“, erklärt Andreas Kammel, der für Traton an einer Strategie zu alternativen Antrieben und autonomem Fahren arbeitet.

Deutliche Weiterentwicklung nötig

Bis autonome Lkws tatsächlich menschliche Fahrer ersetzen können, ist laut Vanishav noch eine deutliche Weiterentwicklung nötig. Sollte die Technik auf dem aktuellen Stand bleiben, könnten laut dem Forscher nur etwa zehn Prozent der Lkw-Fahrten in den U.S.A. automatisiert werden. „Der Einsatz eines autonomen Systems nach Level 5 – egal ob Lkw oder Pkw – ist aus meiner Sicht noch in weiter Ferne“, erklärt auch Geißlinger.

Entscheidend ist bei autonomen Langstreckenfahrten vor allem das Wetter. Starker Regen kann etwa dazu führen, dass Kameras und Lidarsensoren an ihre Grenzen kommen. Zudem gibt es noch keine Garantie dafür, dass die Künstliche Intelligenz (KI) auch in Spezialsituationen korrekt handelt.

Effiziente Nutzung von Lkws

Neben den geringeren Lohnkosten würden autonome Lkw-Fahrten die Fahrzeuge deutlich effizienter machen. „Durch den Wegfall von Lenk- und Ruhezeiten kann der Lkw deutlich effizienter genutzt werden. Vermehrt könnten Fahrten nachts stattfinden und so den Verkehr entlasten“, erklärt Geißlinger. Eine Studie der Unternehmensberatung Rudolf Berger zeigte, dass eine vollständige Automatisierung der Lkws die Betriebskosten für Speditionen um etwa 40 Prozent reduzieren würde.

Zudem erhoffen sich Experten durch die Automatisierung einen Sicherheitsvorteil im Straßenverkehr. „Wir erhoffen uns durch die Einführung autonomer Fahrzeuge einen klaren Sicherheitsvorteil für alle Verkehrsteilnehmer. Der größte Unsicherheitsfaktor im Straßenverkehr ist nämlich nach wie vor der Mensch“, so Geißlinger.

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